Schmerzen bei anderen verstehen

2021/02/03

Gemäß den Worten Oyasamas sagte die göttliche Stimme in ihr:

„Solange du in einem Haus mit einem stattlichen Eingangstor wohnst, kannst du andere nicht erlösen.“

In der Äsopischen Fabel gibt es eine Erzählung, die etwa wie folgt lautet: Eines Tages fing ein Hirte ein Schwein, das sich unter lautem Schreien bemüht, sich zu befreien. Dabei sagte ein Schaf zum Schwein: „Du brauchst nicht zu schreien. Der Hirte fängt und schleppt uns regelmäßig weg, wir machen aber kein Geschrei.“ Das Schwein antwortete aufgeregt: „Deine Situation ist ganz anderes als meine. Der Hirte möchte nur deine Wolle, aber er ist hinter meinen Speck her. Er wird mich töten!“

Wir sagen oft zu denjenigen, die einem Problem gegenüberstehen: „Ich weiß, wie du dich fühlst.“ Doch wie viel verstehen wir davon wirklich? Die Haltung mit den Worten „Ich weiß, wie du dich fühlst.“ kann nicht nur hilflos erscheinen, sondern auch sogar verärgern.

Für Leute in prominenten Positionen ist es nicht vorstellbar, wie geschädigt man sich angesichts einer überheblichen Haltung der Behörden fühlt. Wohlhabende Leute können den Überlebenskampf und –schmerz nicht wirklich verstehen. Sagt ein Reicher zu einem Armen, „Dein Problem ist nur Geldmangel. Versuche daher nicht zu klagen!“, so sind die Chancen hoch, dass der Arme einfach widersprechen wird: „Was weißt du denn schon darüber?“ Das ist etwa so, wie man in ein umgedrehtes Glas Bier auszuschenken versuchen und sagen würde: „Das ist wirklich gut. Trink es.“ Natürlich kann man in das Glas kein Bier einschenken. Je mehr Bier man einzuschenken versucht, desto größer ist die Menge, die davon verschüttet wird, und die Überschwemmung wird immer größer.

Oyasama wählte den Weg, in tiefer Armut zu leben, und zwar in Übereinstimmung mit den Worten Gottes: „Lasst euch in Armut fallen! Tut ihr das nicht, werdet ihr die, die Not leiden, niemals wirklich verstehen können.“ Vor Oyasama hatten damalige Menschen eine unbeschreiblich tiefe Ehrfurcht, da sie merkten: „Sie weiß genau, wie es sich anfühlt, so zu leiden wie wir.“