Geist wie Baumwolle

2021/10/28

Einmal erzählte Oyasama die Geschichte von Leinen, Seide und Baumwolle:

„Leinen ist luftdurchlässig und klebt nicht an der Haut. Es gibt keinen Stoff für den Sommer, der kühler und besser wäre. Für den Winter aber ist er zu kühl. Er ist nur für den Sommer geeignet. Trägt man ihn länger als drei Jahre, so bleicht er aus. Wenn er vollkommen ausgeblichen ist, wird er wertlos. Und wenn man ihn nachfärbt, wird die Farbe ungleichmäßig. Hat er schließlich diesen Zustand erreicht, so ist er wertlos wie Altpapier.
Seide ist elegant, gleich ob man sie zu einem Festtagsgewand oder zu einem Kimono verarbeitet. Seide ist etwas, das sich jeder wünscht, auch wenn sie sehr teuer ist. Jedoch, Menschen, die wie Seide sind, solltet ihr nicht werden. Seide ist gut, solange sie neu ist; ist sie aber nur ein bisschen alt geworden, kann man nichts mehr mit ihr anfangen.
Nur zur Baumwolle. Jeder verwendet sie. Es gibt nichts, was so bequem und so weitverbreitet ist wie Baumwolle. Im Winter hält sie uns warm, und im Sommer saugt sie den Schweiß auf. Ist sie schmutzig geworden, so kann man sie immer wieder waschen. Wenn ihre Farbe verblichen und sie so alt geworden ist, dass man sie nicht länger tragen kann, so kann sie noch als Windel, Wischlappen oder sogar als Sandale verwendet werden. So ist sie von Nutzen, bis von ihrer ursprünglichen Form nichts mehr übrig ist: das ist Baumwolle. Gott will, dass unser Geist wie Baumwolle ist.“

„Ein Fuchs urinierte ins Meer und sagte: ,Das gesamte Meer ist mein Urin!‘“ Das ist ein Sprichwort, das vor fünftausend Jahren im antiken Reich Babylonien auf die Tontafel in Keilschrift geschrieben wurde.

Es ist unnötig, zu erwähnen, dass das Meerwasser nicht aus dem Urin des Fuchses bestehen kann. Das Sprichwort ist eine Satire auf derjenigen Leute, die versuchen, eine nützliche Rolle bei allem zu spielen, was gut läuft. Es sind diejenigen Leute, die bei allem Guten hilfsbereit sind und für alles Schlechtes andere verantwortlich machen. Es sieht so aus, als ob sich einige Dinge seit fünftausend Jahren nicht geändert hätten.

Diejenigen, die sich selbst für etwas Besonderes halten, haben das Gefühl, dass sie sich nicht herablassen können, um dieselben Dinge zu tun wie andere. Andere wünschen sich tatsächlich nicht, mit denjenigen zu arbeiten, die hochmütig sind und stolz mit ihren eigenen Leistungen prahlen. Diejenigen Leute tendieren dazu, sich von anderen zu entfremden, und was für Fähigkeiten und Geschicklichkeiten sie tatsächlich auch besitzen mögen, ist möglicherweise nutzlos.

Anstatt außerordentlich gut zu sein, ist es akzeptabel, gewöhnlich zu sein. Dass man so, wie Baumwolle in der obigen Erzählung gezeigt, vielseitig verwendbar und bis zum allerletzten Ende nützlich ist, kann der Schlüssel dafür sein, andere für uns zu begeistern und sie dazu zu motivieren, für uns tätig zu werden.

Das Glück des Menschen beruht darauf, nützlich und hilfreich zu sein. Das Gefühl, gebraucht zu werden und verlässlich zu sein, kann eine große Quelle für Freude und Fröhlichkeit darstellen.

Wir werden gut daran tun, uns selbst Oyasama als ihre rechte Hand anzubieten. Dies bietet uns Gelegenheit, so perfekt zu arbeiten, wie wir unsere eigenen Fähigkeiten und Geschicklichkeiten zur Geltung bringen können. Darin liegt der zuverlässig erkennbare Weg zum Frohen Leben.